Beteiligung als Instrument

Gestern tagte der Mobilitätsausschuss der Stadt Landau. Auf der Tagesordnung fand sich mit der Ausweitung des Parkraummanagements ein kontroverses Thema. Auch die Einführung zum Landau Takt 2022 oder der Einstieg in das Quartiersverkehrskonzept Süd hätten Anlass für Diskussionen geboten. Am Ende war es dann eine einfache Straßenplanung, die den Ausschuss dominierte. Der Grund? Zumindest fällt es mir schwer, ihn in der konkreten Planung oder dem Prozedere an sich zu sehen. Eher ging es wohl um zwei Handvoll Anwohnerinnen und Anwohner, um das angemessene Maß an „Beteiligung“. Und um Parkplätze.

Die Planung

Die Glacistraße ist bisher vollständig versiegelt. Analog zu den bereits erfolgten oder beschlossenen Straßenerneuerungen in der Südstadt – Friedrich-Ebert-Straße, Cornichonstraße, Bismarckstraße, Moltkestraße – erarbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung mit einem Planungsbüro einen konkreten Entwurf. Grundlage sind dabei die Beschlüsse des Stadtrates. In diesem Fall also nicht nur das integrierte Mobilitätskonzept, in dem die Straße als Vorrangroute für den Fahrradverkehr ausgewiesen ist, oder die Grundsatzbeschlüsse zum Förderprogramm Klimaschutz durch Radverkehr, die der Stadt 675.000 Euro für die Straße bringen, sondern auch beispielsweise das Klimaanpassungskonzept.

Querschnitt der Glacistraße

Aufbau und die Aufteilung der Planung bietet an sich keine Überraschungen. Auf beiden Seiten sollen Gehwege von mindestens 1,5 Metern Breite entstehen, damit zwei Menschen nebeneinander gehen können. In der Mitte soll es eine Fahrbahn geben, zwischen Gehwegen und Fahrbahn einen Baum- und Parkstreifen. Zuwegungen zu Privatgrundstücken bleiben frei von beiden Einbauten.

Einziger Unterschied: Wir schlugen als Verwaltung den Bau einer schmaleren Fahrbahn vor, die von motorisierten Fahrzeugen nur als Einbahnstraße genutzt werden können soll, von Radfahrenden aber in beide Richtungen. Das macht die Fahrbahn zirka einen Meter schmäler. Den brauchen wir auch, um auf beiden Seiten der Straße Parkplätze unterbringen zu können. Alternativ hätte der gesamte Parkstreifen auf der Südseite entfallen müssen, wofür wir aber im Gegenzug die Gehwege hätten breiter machen können. Mit knapp 60 Parkplätzen, 40 Bäumen und Gehwegen in Mindestbreite hatten wir einen ausgewogenen Kompromissvorschlag. Der wurde jetzt vertagt.

Querschnitt der Planung für die Glacistraße. Bäume und Parkplätze stehen jeweils in einer gemeinsamen „Flucht“. Die Fahrbahn soll für den motorisierten eine Einbahnstraße werden.

Verlauf in der Sitzung

In der Sitzung waren knapp 30 Bürgerinnen und Bürger anwesend. Das passiert immer Mal wieder, war aber in Corona-Zeiten seltener. Meiner Schätzung nach war gut die Hälfte zum Quartierskonzept Süd da, die andere Hälfte zur Glacistraße. Oder, um genauer zu sein, für die Parkplätze in der Glacistraße. Die Stadtverwaltung hatte im Vorfeld zur Glacistraße im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zu „Klimaschutz durch Radverkehr“ zwei Rückmeldungen erhalten, im Vorfeld der Sitzung dann eine kritische Email. Alles sehr überschaubar. In der Sitzung dann verweigerten CDU, SPD, FWG und FDP der Sitzungsvorlage ihre Zustimmung und kritisierten das Verfahren (und die Zahl der Parkplätze). Ein Verfahren, das alle diese Parteien schon zig Mal genau so mitgetragen hatten, zuletzt bei der Moltkestraße.

Zwischenergebnis

Durch Nachfragen wurde dann klar, es werde ein Vor-Ort-Termin gewünscht, bei dem die Planung vorgestellt werden soll. Daraufhin wurde die Sitzungsvorlage vertagt. Den Termin werden wir, wenn möglich, im Februar versuchen durchzuführen. Er ist auch an sich kein Problem. Ein Problem wird daraus, wenn gewählte Vertreterinnen und Vertreter inkonsistent handeln und Beteiligungsprozesse vorgeschoben werden.

Beteiligung als Instrument

Es gibt Themen, die können so vernünftig und gut begründet sein, wie sie wollen – in einem Beteiligungsprozess kriegt man die nicht durch. Das wusste die damalige Große Koalition unter Einschluss von FWG und FDP beispielsweise bei ihren Neubaugebieten in den Stadtdörfern und südlich der Wollmesheimer Höhe oder beim Gewerbegebiet D12 Richtung Autobahn. Hätten wir dort die Anwohnerinnen und Anwohner gefragt, würde es alle sechs Projekte nicht geben. Man hat sie damals aber nicht fragen wollen.

Woran liegt das, dass Ablehnung bei Beteiligungsprozessen einfacher zu erreichen ist als Zustimmung? Erstmal natürlich – und das ist total verständlich – an der Motivation. Jemand der gegen am Ortsrand wohnt und ein Haus vor seine Aussicht gestellt kriegen soll oder jemand, der sein Auto im öffentlichen Raum parkt und um diese Möglichkeit fürchtet, die haben einen stärkeren Antrieb als beispielsweise Menschen, die in Jahrzehnten vom besseren Kleinklima durch Stadtbäume profitieren oder die in einigen Jahren Wohnraum in Landau suchen. Räumliche und zeitliche Distanz erschwert also ebenfalls Beteiligung.

Und dann ist noch die Frage, wer da so kommt, wenn die Verwaltung an einem Werktag nach der Arbeit zu einem Informations- oder Beteiligungsformat einlädt. Nach einigen Jahren Kommunalpolitik habe ich das oft beobachtet: Die Gebildeteren eher als die weniger Gebildeten, die Wohlhabenderen eher als die weniger Wohlhabenden, Männer eher als Frauen und Ältere eher als Jüngere. Und es kommen insgesamt auch weniger Menschen mit Migrationsgeschichte oder Eltern kleiner Kinder. Es kommt so zu keinem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung.

Lob der Repräsentation

Es wäre auch ziemlich viel verlangt, wenn Menschen sich ständig neben ihrer Werktätigkeit, der Erziehung von Kindern, der Pflege von Angehörigen oder ihrer Ausbildung mit allen sie betreffenden Fragen der (Kommunal)Politik beschäftigen müssen, damit ihre Interessen gewahrt werden. Das städtische Krankenhaus, Kita Angebote und Spielplätze, Schulausstattungen, Mobilitätsfragen, Wohnungspolitik, Pflegeeinrichtungen, Müll, Friedhöfe und alles, was so dazwischen liegt, sind einfach ziemlich viel an Arbeit und Themen. Deshalb wählen Landauerinnen und Landauer 44+1 Vertreterinnen und Vertreter.

Dass es da unterschiedliche Meinungen und Positionen gibt, liegt in der Natur der Sache. Aber diese 45 Menschen können mit ihrem Engagement und unseren Strukturen einen tieferen Ein- und Überblick gewinnen. Ganz zu schweigen davon, dass es oft genug auch Themen gibt, die für einige – beispielsweise Anwohnerinnen und Anwohner – vielleicht zum Nachteil sind, für eine viel größere Anzahl an Menschen aber von Vorteil. Bei Verkehrsinfrastrukturfragen ist das fast immer so.

Was soll das also?

Was wir also mit dem Vor-Ort-Termin erreichen? Als Verwaltung habe ich mit dem Aspekt Information kein Problem. Wir als Dezernat III stellen uns gerne und so häufig wie niemand sonst auf die Straße, um mit Menschen zu sprechen und zu diskutieren. In dem Fall können wir dann auch in Ruhe erklären, warum die von uns vorgelegte Planung ein guter Kompromiss ist, der die Belange von Fuß-, Rad- und Autoverkehr berücksichtigt und trotzdem für die Zukunft der Klimaanpassung vorsorgt.

Aber wer glaubt, so eine Versammlung wäre repräsentativer als der Stadtrat oder wir sollten Betroffenheitsbeteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner insofern durchführen, dass die entscheiden, sollte aufpassen, dass ihn das nicht einholt. Und zwar bei den Themen, die einem selbst wichtig sind – und für die es dann auch keine Mehrheit gibt. Am Ende verläuft sich dieser Weg, konsequent durchgezogen, in einem Irrgarten der Handlungsunfähigkeit einer Stadt.

Stadtbäume als Klimaanpassung

Ah, und damit das nicht untergeht: Warum entsiegeln wir Teile der Straße und pflanzen Bäume? Weil sie die beste Kühlung für die Stadt der Zukunft sind. Sie verschatten auch versiegelte Flächen und reduzieren so das Aufheizen. Und im Sommer kühlen sie durch Verdunstung auch aktiv. Angesichts der Klimakrise, der damit verbundenen Tropennächte und der zwanzig Jahre, die es braucht, bis ein junger Baum diese Funktion erfüllen kann, brauchen wir jetzt so viele neue Baumpflanzungen in ehemals vollversiegelten Straßen wie möglich. Die Menschen der Südstadt werden es uns in der Zukunft danken.

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