Fuß- und Radbrücke am Hauptbahnhof

Als Stadt sind wir bemüht, Fördermittel der Bundes- und Landesregierungen einzuwerben, um unsere Stadt weiterzuentwickeln. Das gelang auf besondere Weise beim Programm „Klimaschutz durch Radverkehr“ aus dem Bundesumweltministerium. Siebeneinhalb Millionen Euro wurden zugesagt für Radinfrastruktur zur Verknüpfung von Bildungsstandorten. Die neue Fuß- und Fahrradbrücke zwischen Kernstadt und Schulzentrum-Ost ist das größte Einzelprojekt des Programms.

Programmidee

Landau als Schul- und Universitätsstadt verfügt über viele Bildungsstandorte in der gesamten Kernstadt. KARS und Hauptcampus liegen eher im Norden, OHG und MSG in der Innenstadt, MWS und Montessori-Schule im Süden, IGS und ESG über den Bahngleisen im Osten. Quasi keine dieser Einrichtungen war gut mit dem Fahrrad zu erreichen. Die nötige Infrastruktur sollte also geschaffen werden, teilweise baulich und teilweise durch Ausweisung von Fahrradstraßen.

Erreichbarkeit Schulzentrum-Ost heute

Das Schulzentrum-Ost – in dem nicht nur ein Gymnasium und die Integrierte Gesamtschule, sondern auch eine Förderschule untergebracht ist – ist aus der Innen- und Kernstadt heraus mit dem Fahrrad am Schlechtesten zu erreichen. Zu lösen war das über die bestehende Infrastruktur nicht, weshalb eine Brücke die einzige mögliche Lösung darstellt. Der nach Prüfung einzig verbliebene Korridor für diese liegt an der Queich. Auf Westseite also an der Queichpromenade, die schon beim Bau als Radverbindung geplant wurde, auf der Ostseite an den Schrebergärten.

Horstring

Der Horstring ist als größtes und bevölkerungsreichstes Stadtquartier an die Kernstadt nur über die Horstbrücke angebunden. Im Norden liegt etwas abseits eine Unterführung am Tierheim, die zum Gewerbegebiet führt und einen großen Umweg Richtung Innenstadt bedeutet. Zwar war die Anbindung des Horsts nicht Teil der Konzeption für die Brücke, ihr Bau schafft aber eine zweite Möglichkeit für Fuß- und Radverkehr. Dabei ist für mich spannend, dass ich aus dem Horst selten Kritik an der Brücke höre, aber häufiger auch aus Radfahrerkreisen der Kern- und Innenstadt, die die Anbindung des Horsts aus ihrer Sicht nicht für wichtig halten. Ein typisches Perspektivenproblem, glaube ich.

Queichheim

Formal Stadtdorf, de facto schon Stadtquartier, gibt es für Queichheim Richtung Landau-Süd eine gute Alternative zur Queichheimer Brücke. Die Landesgartenschaubrücke war zu ihren Planungszeiten ebenfalls diskutiert worden. Heute ist sie kaum noch wegzudenken. Aus Sicht des Stadtdorfes liegt der Hauptbahnhof gut, die dortige Situation ist aber schwierig und kaum zu verbessern. Die Brücke verlangt einige Meter Umweg für die meisten, bietet dann aber eine gute Querung der Bahngleise und der Maximilianstraße sowie bis zur Kreuzung Schlachthofstraße/Ostbahnstraße/Martin-Luther-Straße.

Übergeordnete Bedeutung

Kleinräumig geht es um die Verbindung des Schulzentrums-Ost mit der Innenstadt. Doch wer einen Schritt zurücktritt, sieht weitere Vorteile. Einer davon: Die Brücke ist das letzte fehlende Stück einer durchgängigen Radwegeverbindung von Mörlheim (THW) bis Arzheim (Kleine Kalmit). Solche geraden, ununterbrochenen Wege sind es, die Radfahren deutlich attraktiver macht. Mit einer Lösung am Ende des Queichtalradweges beim THW in Mörlheim wird die Strecke sogar eines Tages bis Offenbach reichen.

Tourismus

Tourismus spielt bei dem Projekt nur eine kleine Nebenrolle, aber bisher verläuft der Queichtalradweg über Nordring, Horststraße und Horstbrücke – für eine touristische Verbindung keine schöne Option. Außerdem führt sie an Landaus Innenstadt vorbei. Zukünftig würde der Weg über Martin-Luther-Straße, Queichpromenade und Brücke führen, also näher an der Queich entlang und durch attraktivere Straßenzüge.

Unterschiedliche Entwürfe

Insgesamt vier erfahrene Büros wurden mit der Aufgabe betraut, für die Aufgabenstellung Entwürfe zu entwickeln. Ausgewählt wurde die günstigste und verlässlichste Konstruktion.

Stellungnahmen Betroffener

Sowohl der Verein „Unser Horst“ als auch die beiden Schulleitungen haben erst kürzlich noch einmal Stellung bezogen.

Der Verein – es gibt im Horst leider keinen Ortsbeirat und Ortsvorsteher, auch wenn die GRÜNE-Stadtratsfraktion das wiederholt eingebracht hat – argumentiert mit der Trennung des großen Quartiers und mangelnder Verkehrsinfrastruktur. Man wünscht sich die Verbindung, damit Menschen aus dem Horst zu Fuß und mit dem Rad sicher, barrierefrei und direkt die Innenstadt erreichen können.

Brücke – jetzt oder nie!

Ende der Stellungnahme des Vereins „Unser Horst“

Beide Schulleitungen begrüßen für ihre Schulen das Brückenprojekt. Dagmar Linnert vom ESG betont Kooperationen mit anderen Schulen und Erreichbarkeit, aber auch den Vorbildcharakter einer solchen Maßnahme für unsere Stadt insgesamt. Ralf Haug vom ESG will nicht die Brücke, die dem Horst genauso zu Gute kommen soll, gegen andere Maßnahmen im Quartier ausgespielt sehen und nennt solche politischen Initiativen „perfide“.

Nutzen-Kosten-Untersuchung

Anders als bei den meisten Projekten wurde für die Fuß- und Radbrücke eine eigene Nutzen-Kosten-Analyse angestellt. Diese wird bei größeren öffentlichen Projekten angestrebt, um den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen eines Projektes in Relation zu Kosten in Investitionen und Unterhalt zu setzen. Wesentliche Faktoren waren gesundheitliche Auswirkungen, Reduzierung der Sterblichkeitsrate, Reisezeit, Umweltkosten und Herstellungskosten sowie Betriebskosten. Die gesamte Nutzen-Kosten-Untersuchung gibt es hier zum Nachlesen.

Die Untersuchung kommt zu einem positiven Ergebnis von 1,41. Dabei ist das Überschreiten der Grenze von 1,0 entscheidend für die Bewertung, ob ein Projekt einen positiven volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Im Falle dieser Brücke bedeutet es ein Plus von 168.000 Euro pro Jahr oder anders ausgedrückt: 1,41 für jeden eingesetzten Euro.

Die Nutzen-Kosten-Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere auf Horststraße, Ostbahnstraße, Maximilianstraße vermehrt Verkehrsunfälle mit Beteiligung Fahrrad auftreten. Zwischen 2016 und 2021 beliefen sich die volkswirtschaftlichen Kosten dieser Unfälle auf 2,1 Millionen Euro. Die vermiedenen Verkehrsunfallkosten wurden in der Nutzen-Kosten-Analyse nicht berücksichtigt.

Bebauungsplanverfahren

Parallel zum Planungsverfahren der Brücke, der Ausschreibung und den vorbereitenden Arbeiten für Umwelt- und Naturschutz wurde Baurecht über ein Bebauungsplanverfahren geschaffen. In diesem Verfahren gab es ein über das gesetzliche Maß hinausgehendes Beteiligungsverfahren mit eigener öffentlicher Veranstaltung. Trotz wochenlanger Auslage und Presseveröffentlichungen ging keine einzige schriftliche Stellungnahme von Anwohnerinnen und Anwohnern ein.

Bestehende Alternativen

Verwiesen wird bei Kritik oftmals auf die bestehenden Alternativen. Aus Sicht der Verwaltung fallen dabei Unterführung am Tierheim und LGS-Brücke im Süden aus, da sie zu weit entfernt liegen. So verbleiben noch Horstbrücke, Queichheimer Brücke und Bahnhof selbst.

Bahnhofsunterführung: In der Bahnhofunterführung darf nicht nur kein Rad gefahren werden, es gibt auch keine Rampen. Die an den Treppen angebrachten Schienen sind für Seniorinnen und Senioren, aber auch für Rollstühle, Kinderwägen, Spezial- und Lastenräder sowie für Gehhilfen eine schwierige Situation. Der Aufzug ist nicht nur häufig kaputt (2021 angeblich an mehr als 100 Tagen, laut Auskunft des Behindertenbeirats), sondern ungeeignet für viele der genannten Nutzerinnen und Nutzer.

Horstbrücke: Beim Neubau der zweiten Hälfte der Horstbrücke versuchte die Stadt Landau eine etwas breitere Version mit dem Ministerium abzustimmen. Das wurde abgelehnt, weshalb es keine Radwege auf der steilen Brücke gibt, sondern nur Schutzstreifen. Die Zuwegungen über Horststraße, Dammmühlstraße und Hainbachstraße sind ebenfalls eher keine sichere Option. 2021 wurde ein Senior als Radfahrer in der Horststraße von einem ausparkenden Fahrzeug getötet. Die dortigen Parkplätze am Radweg haben keinerlei heute notwendigen Sicherheitsabstand.

Queichheimer Brücke: Auf der Queichheimer Brücke befinden sich die Radwege zwar gesichert abseits der Straße, für Radfahrerinnen und Radfahrer ist die Situation trotzdem unbefriedigend. Die Seitenbereiche sind zu schmal, um Radverkehr in beide Richtungen zuzulassen. Das ist auch folgerichtig mit Blick auf die Kreuzungen, an der ein „falsch“ fahrender Radfahrer letztlich vor einer nicht korrekt zu lösenden Situation steht. Ein Beispiel: Viele fahren aus dem Gewerbegebiet kommend auf der Südseite der Brücke Richtung Stadt, also „links“. An der Ampelkreuzung Paul-von-Denis/Rheinstraße/Maximilianstraße bleibt dann nur das Absteigen. In der Regel folgt aber eher der nächste Verkehrsverstoß, indem „falsch“ weitergefahren wird. So folgt eine gefährliche Situation auf die andere, weshalb die Queichheimer Brücke auch keine gute Option für den Radverkehr darstellt und das nicht geändert werden kann. Die Zuwegung über die Rheinstraße muss nicht weiter thematisiert werden. Im Mobilitätskonzept sind dort keine Radwege vorgesehen.

Beiräte für Menschen mit Beeinträchtigungen und ältere Menschen

Wenn ich keine Treppen laufen kann und der Aufzug kaputt ist – in dieser Lage sehen sich leider oft Menschen am Landauer Hauptbahnhof. Die neue Fuß- und Radbrücke dagegen ist barrierearm, hat eine geringere Steigung als beide anderen Brücken, Zwischenpodeste und macht Menschen unabhängig von dem Funktionieren eines Aufzugs. Deshalb haben Beirat für ältere Menschen und Beirat für Menschen mit Beeinträchtigungen die Brückenpläne von Anfang an unterstützt.

Zustimmung der Bahn

Nicht nur hat die Deutsche Bahn dem Projekt zugestimmt. Es ist auch sichergestellt, dass der Brückenbau bei Elektrifizierung der Strecke kein Hindernis darstellt. Außerdem gibt es die schriftlich erklärte Bereitschaft, die nötigen Grundstücke an die Stadt zu verkaufen. Der Notartermin steht noch aus.

Anbindungen auf beiden Seiten

Die Fuß- und Radbrücke ist das eine. Die Zuwegung etwas anderes. Eindeutig sind Radweg durch die Schrebergärten (Ostseite) und entlang der Queichpromenade (Westseite) bessere Zuwegungen als Horststraße oder Rheinstraße. Trotzdem gibt es auf beiden Seiten Arbeit zu erledigen. Auf der Ostseite haben wir beispielsweise die 90-Grad-Kurve an der IGS entschärft und den zu schmalen Weg verbreitert. Auf der Westseite arbeiten wir an der Sicherung der Hauseingänge und des Übergangs an der Ostbahnstraße.

Mehrkosten

Alle Projekte werden unter gewissen Voraussetzungen und Bedingungen geplant. So gibt es gewisse standardisierte Kostenansätze je Projektart. Brücken sind beispielsweise in der Regel teurer als Straßen aber oft günstiger als Tunnel. Je nach Größe des Projektes wird am Anfang eines Projektes deshalb eine Kostenkalkulation angestellt. Mit dieser bewerben sich Kommunen um Fördermittel.

In der Praxis vergehen bei größeren Projekten drei bis fünf Jahre für die Umsetzung. Zwar wird am Anfang des Projektes auch Inflation sowie Baukostensteigerungen prognostiziert, oft jedoch war es in der Vergangenheit so, dass die realen Entwicklungen die Prognosen überstiegen. So lag die Inflation in Deutschland 2019 – dem Start des Projektes – bei 1,4%. 2023 lag sie fünf Mal so hoch, bei 7,9%. Das war 2019 völlig unvorhersehbar. In der Regel werden deshalb Infrastrukturprojekte teurer, bis sie umgesetzt werden können.

Nun könnte man fragen, warum nicht schon von Anfang an größere Puffer in Planungen und Kostenberechnungen aufgenommen werden. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Wir versuchen als öffentliche Hand Kosten natürlich so niedrig wie möglich zu halten. Dabei gilt aber die Wahrheit und Klarheit des Haushaltsrechts: Wir dürfen Zahlen nicht am Anfang eines Projektes künstlich aufblasen, sodass am Ende das Gesamtprojekt besser aussieht. Der zweite Grund liegt im Förderrecht. Wir bewerben uns mit unseren Projekten inklusive (möglichst plausiblen) Kostenrechnungen bei Land und Bund um Fördermittel. Wenn wir hier höhere Summen vorspiegeln würden, um eine höhere Förderung zu Lasten der Fördermittelgeber zu erhalten, wäre das letztlich Betrug.

Ein reales Problem gibt es aber: Ein Projekt kann mit einer 90% Förderung beginnen und sich dann im Laufe der Jahre (Schwierigkeiten, Baukostensteigerung, Inflation, …) so entwickeln, dass die Gesamtkosten steigen aber die Fördersumme gleich bleibt, da die Zusage ein Festbetrag zu Beginn des Projektes war. Höhere Kosten müssen dann von der Kommune getragen werden. Das belastet uns regelmäßig, beispielsweise beim Dorfgemeinschaftshaus Mörzheim oder dem Neubaugebiet Wollmesheim gab es erhebliche Preissteigerungen. In der Praxis kann der Stadtrat das aber durch zusätzliche Mittel oder Verzicht an anderer Stelle kompensieren – wenn man möchte.

Könnte man die geplanten Mittel noch für etwas anderes einsetzen?

Kaum. Der größte Teil – die Fördermittel – würde verfallen. Die übrigen Mittel stehen 2024 und 2025 zur Verfügung. Für größere Projekte brauchen wir mindestens zwei Jahre Planung und zwei Jahre Umsetzung – zu wenig Zeit also. Wir könnten einen Teil der Eigenmittel sicherlich in kleinere, schnell zu planende und nächstes Jahr umzusetzende Maßnahmen stecken. Mehr aber auch nicht.

Ablauf

Ende 2019: Als neugewählter Verkehrsdezernent übernehme ich das Projekt im Entwurfsstadium. Fehlende Anbindung des Schulzentrums-Ost soll mit neuer Brücke geschlossen werden.

Juni 2020: Entwurf des Förderprogrammantrags geht in den Stadtrat und wird dort beschlossen.

September 2021: Stadt Landau erhält Zuschlag mit Fördersumme von bis zu 7,5 Millionen Euro. Alle Projektteile werden anerkannt. Mit dem Fördermittelgeber kann geklärt werden, dass die Brücke auch für den Fußverkehr geöffnet werden darf. Abschluss aller Maßnahmen muss bis Ende 2025 erfolgen.

Februar 2022: Stadtrat beschließt Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan für die Brücke sowie erneuten Beschluss zur Umsetzung mit 34 Stimmen dafür aus den Fraktionen GRÜNE, CDU, SPD, FDP und LINKE. Start der konkreten Planungen.

Mitte 2023: Erneuter Beteiligungstermin, diesmal im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens. Schriftliche Zusage der Deutschen Bahn zum Grundstücksverkauf. Umsetzung vorbereitender Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen.

Ende 2023: SPD-Stadtratsfraktion beantragt Aufgabe des Brückenprojektes. Nach dem Scheitern des Antrags stimmt sie gegen den Bebauungsplan für die Brücke, obwohl das Projekt „eigentlich“ für gut befunden wird. CDU-Fraktion kündigt an, keine Mehrkosten mittragen zu wollen. Der Verein „Unser Horst“ positioniert sich unmissverständlich positiv zur Brücke

Anfang 2024: Schulleitungen von ESG und IGS positionieren sich ebenfalls positiv zur Brücke.

März 2024: Leider ergeben die detaillierten Kostenberechnungen des Ingenieursbüros erhebliche Kostensteigerungen. Die Förderquote sinkt von 75 auf 30 Prozent, die nötigen Eigenmittel steigen von 2,5 auf 6,7 Millionen Euro. Damit ist das Projekt im Rahmen des Förderprogramms Klimaschutz durch Radverkehr nicht mehr umsetzbar. Die Planung soll abgeschlossen, ein anderes Förderprogramm mit höherer Unterstützung gesucht werden.

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