Quartiersverkehrskonzept Süd

Im Januar eingebracht, folgt am morgigen Montag die Veranstaltung zum Quartiersverkehrskonzept Süd. Anlass genug kurz zu umreißen, was wir da eigentlich als Verwaltung machen, warum wir es machen, wohin uns das als Stadt führen soll – und was wir dabei alles bedenken.

Mobilitätskonzept 2019

Die Stadt Landau hat ein integriertes Mobilitätskonzept aus dem Jahre 2019. Damals versuchte man zwar schon alle Verkehrsarten zusammenzudenken, die Erarbeitung dauerte aber Jahre. Dieser Umstand in Kombination mit der engen Verzahnung von Verkehrsmaßnahmen führt dazu, dass weite Teile des Konzeptes von der Realität schon überholt wurden. Ein zentraler Punkt aber bleibt bis heute: Wir versuchen nicht alle Verkehrsarten auf dieselben Wege und Straßen zu integrieren. Stattdessen entzerren wir mit Vorrangrouten Auto- und Radverkehr.

Quartierskonzepte statt Detail- oder Metapläne

Nun können wir weder bei Verkehrs- noch bei Klimafragen alle fünf Jahre ein neues Gesamtkonzept erarbeiten, wenn wir vorankommen wollen. Aber der Fokus auf eine einzelne Straße oder eine singuläre Verkehrssituation führt zur Vernachlässigung übergeordneter Ziele, Anschlüsse und Argumente. Quartierskonzepte sind also die Mitte zwischen Detail- und Metaplänen. Nach Innenstadt und Queichheim ist nun der Landauer Süden dran.

Quartier Süd

Ganz grob meinen wir als Stadtverwaltung mit dem Süden die alte Südstadt nördlich der Cornichonstraße, den so genannten Wohnpark am Ebenberg, also die Konversionsfläche des ehemaligen Kasernenareals, das Mischgebiet entlang der Paul-von-Denis-Straße und das Areal südwestlich der Bahngleise (Eutzingerstraße, Philosophengarten, Merowingerstraße). Eingegrenzt ist es von zwei Vorrangrouten für den Autoverkehr – von Süd nach Nord die Weißenburgerstraße im Westen und von Ost nach West die Linie Rheinstraße/Marienring/Schlossstraße im Norden.

Anlass

Im Zuge der Landesgartenschau hat sich im Landauer Süden viel verändert. Nicht nur entstand der Wohnpark am Ebenberg, der von Anfang an als autoarmes, ruhiges Quartier vermarktet wurde, auch Cornichonstraße und Friedrich-Ebert-Straße wurden grunderneuert. Was blieb und seitdem stärker wurde, waren die Verkehrsprobleme. Durch Schleichwege nutzen zahlreiche Menschen die Wohnquartiere als Abkürzung. Und die entstandenen verkehrsberuhigten Bereiche werden nicht einmal als Richtlinie betrachtet. Über 200 Anwohnerinnen und Anwohner haben das mit einer Petition deutlich gemacht.

Durchgangsverkehr Wohnpark

Zwar können auch Anliegerinnen und Anlieger zu schnell fahren, aber wer nur irgendwo durchfahren will, läuft eher Gefahr, sich nicht an Geschwindigkeitsregeln zu halten. Der als verkehrsberuhigter Bereich mit einer Höchstgeschwindigkeit von sieben Stundenkilometern konzipierte Wohnpark kann dem aktuell nichts entgegensetzen. Wir schlagen deshalb drei Lösungsvarianten vor.

Variante 1: Einbahnstraße

Eine Option wäre im Süden der Otto-Kießling-Straße eine Einbahnstraße einzurichten. Damit wäre der Verkehr zirka halbiert, Autos könnte aber weiterhin von Nord nach Süd das Quartier durchqueren. Anwohnerinnen und Anwohner könnten das Quartier aber auch selbst nach Süden verlassen. In Kombination mit weiteren Maßnahmen im Landauer Süden halten wir diese Richtung der Einbahnstraße für die bessere, um Durchgangsverkehr zu reduzieren.

Variante 3

Eine andere Option würde an der Kreuzung Otto-Kießling-Straße zur Hans-Stempel-Straße einen modalen Filter installieren. Die Stelle wäre von beiden Seiten noch mit Zweirädern und als Fußgängerin oder Fußgänger passierbar, Durchgangsverkehr wäre aber gänzlich unterbunden. Der Nachteil für alle im größeren Teil des Quartiers wäre, dass es motorisiert nur noch nach Norden verlassen werden kann. Alternativ könnten Menschen, die beispielsweise täglich nach Süden Richtung Autobahn fahren, den Parkplatz am Philosophengarten nutzen und müssten gegebenenfalls ein paar Minuten täglich laufen, um Umwege mit dem Auto zu vermeiden. Der Durchgangsverkehr wäre aber gänzlich heraus.

Variante 2

An einem anderen Ort setzt Variante 2 an, um das Problem Durchgangsverkehr zu lösen. Hierbei würde der östliche Teil des Wohnparks nicht nach Süden abgegrenzt werden, sondern zirka in der Mitte. Im Plan sind die modalen Filter an den Kreuzungen zur Fritz-Siegel-Straße eingezeichnet, wir könnten sie aber je nach Wunsch der Anwohnerinnen und Anwohner auch an der nördlich gelegenen Kreuzung zur Siebenpfeiffer-Allee installieren, wobei jede einzelne der drei Straßen Heinrich-Stützel, Viktor-Weiß und Richard-Joseph unterschiedlich behandelt werden könnte. Für alle Straßen wäre außerdem noch ein anderer Punkt gleich: Sie müssten zukünftig ihre Mülltonnen zu Sammelplätzen an der nächsten Kreuzung nach Norden oder Süden bringen und dort wieder holen. Die gewählte Lösung könnte dann beim Ausbau der noch rudimentär als Baustraßen hergestellten Abschnitte gebaut werden. Die Emma-Geenen-Straße würden wir nicht gänzlich für den motorisierten Verkehr ausbauen, sondern ähnlich der Michel-Bréal-Straße in einem Endstück als Fuß- und Radweg.

Vor- und Nachteile echter Lösungen

Viele Aspekte treiben uns als Verwaltung bei solchen Abwägungsprozessen um. Dass die Lösung auch funktionieren soll, ist dabei keine ganz so selbstverständliche, wie man meinen könnte. Oftmals greifen politische Kräfte oder Verwaltungen zu „Lösungen“, die mehr psychologischer Natur sind. Eine Beschilderung mit „Einfahrt verboten, Anlieger frei“ würde fast keinerlei Änderung hier bewirken. Echte Lösungen haben aber nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile für manche Menschen in manchen Situationen. Gar keine Lösung dagegen wäre es, weiterhin Schlupflöcher für den Durchgangsverkehr zu lassen. Der gesamte Schleichverkehr würde sich auf diesen Weg – der keine Autovorrangroute wäre – verlagern. Weil in diesem Fall alle drei Varianten zur Reduktion oder Lösung des Problems beitragen, wollen wir mit den Anwohnerinnen und Anwohnern darüber sprechen und hören, was die zu sagen haben.

Südstadt

Auch die Südstadt leidet heutzutage an Durchgangsverkehr, den es früher nicht gab. Dazu trägt auch der Wohnpark bei, stärker aber die Paul-von-Denis-Straße. Sie gab es vor fünfzehn Jahren nicht, weshalb es von dort auch keinen Durchgangsverkehr entlang der Cornichonstraße gab. Heute ist sie eine der vielbefahrene Straße. Gleichzeitig gibt es am ehemaligen LGS-Tor an der Kreuzung zur Friedrich-Ebert-Straße einen verkehrsberuhigten Bereich.

Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße/Cornichonstraße

In meiner Zeit als Verkehrsdezernent habe ich schon dutzende Beschwerden über zu schnelles Fahren dort per Nachricht, Email oder im direkten Gespräch gehört. Auch in politischen Gremien wird es angesprochen. Und die Messung der Stadtverwaltung vor Ort  sind erschreckend und eindeutig. Wir haben deshalb eine Lösung entwickelt, die Fahrtrichtungen an der Kreuzung für Autofahrende reduziert. In zwei Fällen hätte man nur noch eine Fahrbeziehung zum Abbiegen, im dritten Fall wäre eine Durchfahrt nur noch für Radfahrende möglich. Bei der Veranstaltung am 12. Februar werden wir eine zweite Variante vorstellen, die ähnlich funktioniert.

Grundsätzliches

Verkehrsquartierskonzepte liegen möglichst eingefasst von Autovorrangrouten, die den überörtlichen motorisierten Verkehr aufnehmen können. In den Quartieren dagegen sollen Radverkehr, Fußverkehr und der ÖPNV die Hauptverkehrsarten darstellen. Das ist nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zur Verkehrssicherheit und Ruhe. Gleichzeitig erhalten wir alle Straßen grundsätzlich für Autos anfahrbar.

Ampeln und Einbahnstraßen

Das Quartier im Süden ist vor allem erschlossen durch Kreuzungen in seinem Norden. Das wird durch das Ende des Durchgangsverkehrs – unabhängig von der gewählten Lösung – noch verstärkt werden. Während es aber noch vor der Landesgartenschau nur zwei Kreuzungen gab, an denen man motorisiert mehr oder weniger gut das Quartier Richtung Norden verlassen konnte, sollen es bald fünf werden. Zu den Ampelkreuzungen Friedrich-Ebert-Straße, Bismarckstraße und Paul-von-Denis-Straße fügen wir noch Moltkestraße und Ludowicistraße hinzu. Während wir also die Nord-Süd-Straßen des Quartiers öffnen und mit Ampeln das passende Ein- und Ausfahren verbessern, sollen die Ost-West-Straßen zu Einbahnstraßen werden. Das sichert, wie im Falle der Glacistraße, bei der Sanierung der Straßen Raum für Bäume, Entsiegelung und Parkplätze. Gleichzeitig verbessert es aber auch die Situation für Radfahrende und macht das Fahren durch die Wohnstraßen des Quartiers mit dem Auto im Vergleich zur Autovorrangroute unattraktiver.

Andere Schwerpunkte

Rad- und Fußverkehr hatten lange Zeit fast gar keine politische Unterstützung. Heute sind sie bei Quartierskonzepten Zentrum unserer Überlegungen. Distanzen, die man in wenigen Minuten zu Fuß oder mit dem Rad bewältigen kann, sollten möglichst auch so zurückgelegt werden. Zumindest wenn die Menschen dazu körperlich oder mit Blick auf ihre Tätigkeit dazu in der Lage sind.

Fußverkehr

Bei den Gehwegen achten wir für den Fußverkehr auf Mindestbreiten, die für zwei nebeneinandergehende Menschen, Rollstühle und Kinderwägen ausreichen. Sitzgelegenheiten, möglichst im Schatten, ergänzen insbesondere für Seniorinnen und Senioren die Situation. Wir schauen aber auch, wie wir Barrieren reduzieren, Bordsteine absenken und Blindenleitlinien integrieren können. Verkehrsberuhigte Bereiche sollen außerdem den Fußverkehr in den Mittelpunkt stellen, funktionieren aber praktisch nicht, wenn dort zu viel Autoverkehr unterwegs ist, da sich Fußgängerinnen und Fußgänger ohne baulich getrennten Gehweg dann oft unsicher fühlen.

Radverkehr

Für den Radverkehr schlagen wir eine große Fahrradzone vor. Hier dürfen Radfahrende nebeneinander fahren, sie sollen nicht eingeschränkt oder behindert werden. Viel wichtiger aber: Es besteht in Fahrradzonen ein Überholverbot durch motorisierte Fahrzeuge. So passen sich Geschwindigkeiten aneinander an und Lärm wird reduziert. Die Öffnung von neuen und alten Einbahnstraßen für den Radverkehr in beide Richtungen ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Bestandteil.

Verdrängung auf Vorrangrouten

Den Durchgangsverkehr wollen wir entweder gezielt oder als Nebeneffekt von anderen Maßnahmen auf die Vorrangrouten lenken. Auch das hat Vor- und Nachteile, beispielsweise auch für die Anwohnerinnen und Anwohner dort. Aber mit Maßnahmen wie der der bald anstehenden Neuprogrammierung des gesamten Ampelsystems oder dem Umbau wichtiger Kreuzungen wie dem Schlösselknoten können wir hier dafür sorgen, dass es auch funktioniert.

Folgen der Straßenerneuerungen

Bismarck-, Cornichon- und Friedrich-Ebert-Straße wurden schon erneuert. Moltkestraße und Glacistraße folgen nun im Rahmen des Förderprogramms „Klimaschutz durch Radverkehr“. Der Wolfsweg wird aufgrund der Leitungen im Untergrund erneuert werden. Aber auch Vogesenstraße, Mozartstraße und all die anderen werden früher oder später erneuert werden. Bei all diesen Erneuerungen werden verkehrliche Fragen (Einbahnstraße, Gehwegsbreiten), Klimaanpassungsfragen (Entsiegelung, Stadtgrün, Bäume) und Raum für den so genannten „ruhenden Verkehr“ – also Parkplätze und Fahrradabstellanlagen – eine Rolle spielen. Bei jedem dieser Schritte wird Parkraum entfallen. Dazu braucht es keine politische Zielsetzung. Vielmehr sorgen heutige Abstandsregeln von Kreuzungen und Einfahrten sowie Normbreiten von Fahrbahnen und Gehwegen automatisch dafür, dass Straßensituationen aus der Zeit der autogerechten Stadt nach der Erneuerung nicht mehr ebenso viel öffentlichen Parkraum bieten wie zuvor. Dabei gilt immer: Wir erneuern Straßen alle 30 bis 50 Jahre. Eine Straße, die wir im Jahre 2023 erneuern, muss also fit sein für das Jahr 2053 – und länger.

Carsharing und Parkraummanagement

Wir wissen heute, dass nicht die bloße Verfügbarkeit von Parkraum entscheidend ist, sondern dessen Management. Das Parkraummanagement im Landauer Süden hat viele Potenziale gehoben, die Situation für Autofahrerinnen und Autofahrer entspannt, die Einnahmen der öffentlichen Hand erhöht, die Subventionierung des motorisierten Individualverkehrs reduziert – und somit die Verkehrswende vorangetrieben. Sie war auch Ausgang eines politischen Teufelskreises, in dem wir über zehn Jahre lang immer wieder ein Konzept (Anwohnerparken) prüften und keinen Schritt vorankamen.

Zukünftig gilt für mich, dass wir noch stärker Carsharing und Parkraummanagement zusammendenken müssen. Stationäres Carsharing in Quartieren, die wir ins Parkraummanagement aufnehmen und in denen Straßen erneuert werden, sollte zum Standard in Landau werden.

Klimaschutz

Gegen die Klimakrise müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere CO2, so schnell und so stark es irgendwie geht reduzieren. Verbindlich gemacht haben das alle für uns relevanten Ebenen: Die Europäische Union, der Deutsche Bundestag, der Landtag des Landes Rheinland-Pfalz und der Landauer Stadtrat. Dazu gehört auch die Reduktion von Treibhausgasen im Verkehr. Dass das wiederum bedeutet, dass in Zukunft weniger Auto gefahren werden muss und E-Autos (die sowieso in vielerlei Hinsicht nicht die beste Idee sind) nicht die Lösung für alles sind, bleibt dann oft unerwähnt, weil es eine anstrengende Umstellung für viele bedeutet.

Trotz begrünter Innenbereiche gehört die Südstadt wegen der vollversiegelten Straßen zu den thermisch am stärksten belasteten Bereichen der Stadt.

Klimaanpassung

Leider kommt unser Engagement gegen die Klimakrise zu spät und ist nicht entschieden genug. Deshalb müssen wir schon mit Maßnahmen beginnen, die die mittel- bis langfristigen negativen Folgen für uns Menschen eindämmen. Hitze ist dabei in Städten die größte Gesundheitsgefahr, insbesondere für Seniorinnen und Senioren sowie Säuglinge und kleine Kinder. Verschattung, Bäume und entsiegelte Flächen leisten hierzu einen wesentlichen Beitrag. Wo das notwendig ist, haben wir im Rahmen des Klimaanpassungskonzeptes untersuchen lassen. Gerade in diesen Bereichen werden wir in den nächsten Jahren Straßenerneuerungen angehen müssen. Und überall dort werden wir jetzt möglichst viele Bäume pflanzen müssen, damit sie in den nächsten Jahrzehnten ihre Funktion erfüllen können.

Verkehrswende

Überwiegend sollen Fuß-, Rad- und öffentlicher Verkehr die Mobilitätsarten innerhalb der Stadt darstellen. Deshalb bauen wir Rad- und Fußverbindungen aus, haben ein Stadtbussystem auf den Weg gebracht. All das negiert nicht die Notwendigkeit vieler Menschen, ein Auto zu nutzen. Aber keine andere Wahl zu haben, hat mit Freiheit wenig zu tun. Auch deshalb wollen wir uns die nächsten Jahre dem Bahnverkehr widmen. Unser Ansatz der Verkehrswende respektiert all diese widerstreitenden Bedürfnisse und Wünsche.

Und dennoch gibt es Menschen und wird es Menschen geben, die ihre heutige Position und Situation zur absoluten Maxime machen. Angesichts der letzten Jahre kann ich jeden und jede verstehen, die sagt: „Mir ist es einfach zu viel. Ich hätte gerne einfach etwas Ruhe.“ Doch bei der Klimakrise ist es entscheidend, dass wir als Gesellschaft möglichst früh handeln, um uns gut vorzubereiten. Bei vielen anderen Krisen der letzten Jahre konnten wir das nicht.

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