Zuständigkeiten 2024

Dominik Geißler hat öffentlich verkündet, er wolle die Dezernatsverteilung verändern und den Großteil der Themen des Kollegen Silbernagels (FDP) übernehmen und das Thema Mobilität aus meinem Dezernat ebenfalls zu sich übertragen. Was ich zu diesem Vorgehen zu sagen habe.

Landaus Stadtratswahlen sind drei Wochen vorbei. Dabei bestätigte sich das Ergebnis von 2019 mit drei großen Parteien sowie einer größer werdenden Zahl kleiner. Weder eine neue Mehrheit noch eine Neubesetzung oder Erweiterung des Stadtvorstandes ist in Sicht. Trotzdem hat Dominik Geißler heute öffentlich verkündet, er wolle Zuständigkeiten des Kollegen Silbernagels (FDP) übernehmen und das Thema Mobilität aus meinem Dezernat ebenfalls sich übertragen.

Hintergrund Stadtratswahl

SPD legte gegen den Trend nach fünf Jahren Opposition zu und wurde an Stimmen stärkste Partei, wir GRÜNE hielten uns gegen den Trend und die CDU – bundesweit und landesweit Sieger – verlor gegen den Trend. Alle drei verfügen nun über zehn der vierundvierzig Mandate. Doch eine stabile Mehrheit oder Koalition ist noch unklar, vielleicht sogar unwahrscheinlich. Auch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse und der Halten der Landauer SPD gegen Bündnisse.

Hintergrund Dezernatsverteilungen

Während Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister direkt gewählt werden, werden alle weiteren Dezernenten vom Stadtrat gewählt. Der Stadtrat beschließt auch die Zuständigkeiten der jeweiligen Dezernate, also welche Teile der Verwaltung eine Dezernentin / ein Dezernent führt. Einen Antrag auf eine Veränderung dieser Dezernatsverteilung kann aber nur das Stadtoberhaupt stellen. Änderungsanträge zu seinem Antrag durch den Stadtrat sind unzulässig.

Antrag Dominik Geißlers

Zu Dezernat I zählen heute die Themen Hauptamt (Organisation, Personal), Finanzen, Wirtschaft, Recht, Bauamt, Rechnungsprüfungsamt, Stadtholding, Kultur, Bürgerbeteiligung sowie einige „kleinere“ Themen (Ehrenamt, Gleichstellung, IT und Digitalisierung, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Liegenschaften, Controlling sowie andere) und der Vorsitz in fünf Gremien (Ausschüsse, Aufsichtsräte, Stadtrat). Hinzu kommen sollen nun das Büro für Tourismus (Feste, Märkte, Vinothek) vom ehrenamtlichen Beigeordneten Jochen Silbernagel und Tiefbau (Bauamt), ÖPNV, Parkraummanagement sowie die Straßenverkehrsbehörde (Ordnungsamt) inklusive Mobilitätsausschuss von mir. Dezernat I soll nur kleinere Themen an Dezernat III abgeben und der Zoo solle von Dezernat IV in Dezernat II wandern.

Bessere Struktur? Nein.

Insbesondere die Struktur des aktuellen Dezernats II, für das ich die Verantwortung tragen darf, wird bundesweit gelobt. Beispielsweise in Seminaren des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) oder in Aufsätzen der Agora Verkehrswende wird darauf hingewiesen, dass Landaus Stadtverwaltung eine seltene und für die Verkehrswende wichtige Bündelung aller Zuständigkeiten aufweist: Mobilitätsabteilung (ÖPNV, Straßenbau), Ordnungsamt (Straßenverkehrsbehörde), Klimastabsstelle (Klimaschutz, Klimaanpassung), Umweltamt (Klimaanpassung), EWL (Bauhof, Abwasser) sind alle wesentlich für das Großthema. Die gemeinsame politische Koordination reduziert Abstimmungsbedarfe und verhindert Blockaden. Der Vorschlag Dominik Geißlers bietet keinerlei Vorteil, sondern verschlechtert die Strukturen.

Arbeitsteilung

Formal muss jedem Dezernenten in der Dezernatsverteilung nur ein Amt der Stadtverwaltung zugewiesen werden, um die gesetzlichen Mindestbestimmungen zu erfüllen. Praktisch geht es um eine für Landau gute Arbeitsteilung. Die Themen sind zeitaufwendig, brauchen Aufmerksamkeit und Steuerung. Deshalb haben wir sinnvolle Einheiten gebildet: I Wirtschaft, Finanzen, Personal, Bauen; II Klima, Mobilität, Umwelt; III Jugend, Soziales, Schulen. Schon heute ist Dominik Geißler für mehr Themen zuständig als Kollegin Dürphold und ich. Sollte es keinen ehrenamtlichen Beigeordneten mehr geben, müssen dessen Zuständigkeiten verteilt werden. Quasi alles auf Dezernat I zu übertragen und dem noch das Großthema Mobilität hinzuzufügen, für das ich 20 bis 30 Stunden Arbeit pro Woche aufwende, führt zu einer noch größeren Überlastung in Dezernat I. Zumal auch die persönlichen Erfahrungen, Präferenzen und Kenntnisse der Mitarbeitenden für eine Führungskraft eine Rolle spielen sollten, um das bestmögliche Ergebnis für die eigene Organisation zu erreichen.
Ganz abgesehen davon: Dieser Vorschlag geht automatisch davon aus, dass es keinen ehrenamtlichen Beigeordneten mehr geben werde, was noch nicht ausgemacht ist. Ich schätze Jochen Silbernagel und die Arbeit, die er in den Bereichen Zoo, Tourismus, Feste, Märkte und Vinothek geleistet hat. Angesichts dessen, dass aktuell kein Mitglied des Stadtvorstandes unterbeschäftigt ist, gibt es keine Notwendigkeit die Position abzuschaffen.

Keine schlechte Bilanz

Viereinhalb Jahren bin ich nun Verkehrsdezernent der Stadt Landau. Seit meinem Amtsantritt gewannen wir beim bundesweiten ADFC-Fahrradklimatest einen ersten Platz. Landau wird mittlerweile in Fachkreisen regelmäßig gelobt für unsere Erfolge für die Verkehrswende einer Mittelstadt in einer ländlichen Region und selbst Bundesverkehrsminister Volker Wissing schloss sich dem an.
Siebenstellige Fördermittel konnten eingeworben werden, um nicht nur Konzepte auszuarbeiten, sondern auch umzusetzen. Dazu gehören hunderte kleine Maßnahmen wie Fahrradbügel sowie das Markieren von Radwegen und Aufstellflächen, aber auch größere wie Quartiersverkehrskonzepte, Straßensanierungen, das kommunale Blitzen und den Ausbau der Wirtschaftswege zu den Stadtdörfern. Ein komplett neues Stadtbussystem inklusive On-Demand-Verkehre (Flexline) wurde ausgearbeitet und eingeführt, wodurch der ÖPNV heute innerhalb Landaus eine funktionsfähige Möglichkeit wurde. Wir überarbeiteten das Parkraummanagement, brachten ein elektronisches Parkleitsystem auf den Weg, modernisierten 17 Ampelkreuzungen und bereiten deren Neuprogrammierung vor sowie sanierten oder erneuerten 45 Straßen, Kreuzungen und Asphaltdecken. Aber wir haben auch acht Überquerungshilfen gebaut, Barrierefreiheit vorangetrieben, Quartiere verkehrsberuhigt, neun neue Radwege gebaut. Ich finde, das ist keine schlechte Bilanz.

Kritik

Wenn ich nochmal in der Zeit zurückkönnte, um es besser zu machen, würde ich gerne zurück ins Frühjahr 2020. Im Sommer 2019 hatten wir die Stadtratswahl gewonnen. Seit Gründung waren wir GRÜNE in Landau Opposition gewesen, erstmals waren wir Teil einer Mehrheit und im Stadtvorstand. Wir waren uns völlig einig, wir müssten liefern, was wir versprochen hatten. Und das traf damals auf Corona.
Statt Bürgerversammlungen in großer Runde, statt Beteiligungs- und Infoformaten, statt Präsenzsitzungen der Gremien, waren wir im Lockdown mit Kontaktverboten und in Videokonferenzen. Heute wären wir eher in der Lage, bessere Prozesse zu organisieren, Informationen und Kompromisse besser zu erklären: Podcasts, Infoplakate, Videos. Oder wir würden einfach langsamer machen. Gerade am Anfang eines großen Transformationsprozesses wäre das wichtig gewesen. Das erst im Nachhinein zu sehen, halte ich für meinen größten Fehler.
Es folgten dann doch 70 Info- und Beteiligungstermine bis Sommer 2024 und gut zwei Dutzend Besuche von Ortsbeiratssitzungen. Da kommen dann zwei Dinge zusammen: Prozesse und Informationen hätten besser sein können. Aber das können sie quasi immer. Trotzdem wurde jede umgesetzte Maßnahme von einer Mehrheit des Stadtrates zuvor beschlossen. Und jede Maßnahme, wie gut oder schlecht sie oder der Prozess auch immer war, ruft Kritik hervor. Das ist im Verkehrsbereich übrigens keine Landauer Besonderheit. Eine Landauer Besonderheit ist eher, dass quasi alle politischen Kräfte von sich behaupten, die Flexline erfunden zu haben, aber angeblich ich ganz allein „überall“ Einbahnstraßen einführte.

Mildere Mittel

Wer das besser wissen müsste, ist Dominik Geißler, der seit seinem Amtsantritt mich kein einziges Mal anwies, etwas anders zu machen oder anders vorzugehen. Kein einziges Mal widersprach er im Stadtvorstand einer meiner Vorlagen im Verkehrsbereich, kein einziges Mal arbeitete er mit mir in Rücksprachen an Konzepten. Der Vorschlag, mir das Thema zu entziehen, ist das äußerste Mittel. Mildere Mittel hat er nicht erprobt.

Neue Situation nach Stadtratswahl

Mich hat das Stadtratswahlergebnis für uns GRÜNE gefreut, auch wenn ich nicht zur Wahl stand. Wir betrachten es gemeinsam auch als Bestätigung unserer und meiner Arbeit. Dennoch sagte ich nach der Wahl, dass wir unser Versprechen von 2019 gehalten haben und nun eine andere Phase kommt. Eine, in der ich dafür plädiere, Tempo aus kritischen und kontroversen Themen herauszunehmen, Projekte zu evaluieren und nachzubessern, sich mehr Zeit zu lassen und Prozesse wie Kommunikation zu überarbeiten.
Alle Dezernentinnen und Dezernenten möchten gerne mit möglichst breiten Mehrheiten ihre Vorschläge voranbringen. In einem Stadtrat ohne organisierte Mehrheit ist das noch mehr Arbeit, doch bietet es natürlich auch für die, die weniger Verkehrswende wollen, noch größere Möglichkeiten. Ich kam von Anfang an auch mit Themen in den Mobilitätsausschuss, die ich allein hätte entscheiden können, gerade um zu kommunizieren und um die beste Lösung zu finden. Weiterhin wird der Stadtrat Maßnahmen und Prozesse ablehnen, blockieren und abändern können. Wer weniger Verkehrswende möchte, kann einfach so abstimmen.

Bessere Stimmung?

In fast allen Gesprächen nach der Wahl kam das Thema auf, man wolle wieder eine bessere Stimmung und ein besseres Miteinander im Stadtrat. Dazu passt eine solche Änderung der Dezernatsverteilung angesichts der Nachteile (Arbeitsteilung, Strukturen) nicht. Sie wurde auch von keinem einzigen Gesprächspartner bei uns GRÜNEN bei den Sondierungsgesprächen angesprochen oder gar zu einer Bedingung erklärt.

Wortbruch

Dominik Geißler wurde mit einem Vorsprung von 180 Stimmen Oberbürgermeister. Zuvor hatten wir GRÜNE uns für ihn ausgesprochen. Ein Grund dafür war auch, dass er zugesagt hatte, niemals eine Dezernatsveränderung ohne das Einverständnis der Kollegen Dezernenten durchzuführen. Er wiederholte und bestätigte dieses gegebene Wort in Gesprächen mit mir seitdem mehrmals und widersprach meinem öffentlichen Hinweis darauf vor zwei Wochen nicht. Er bricht mit diesem Vorschlag sein Wort. Damit habe ich auf einer persönlichen und moralischen Ebene ein Problem.
Den Vorschlag an sich werden manche Menschen gut und andere nicht gut finden, wahrscheinlich je nachdem wie man zu meiner inhaltlichen Arbeit steht. Die zentrale Frage ist aber: Kann eine Stadtgesellschaft wollen, dass das gegebene Wort ihres Oberbürgermeisters nichts wert ist? Ist das die Verlässlichkeit, die Partner, Kollegen und Unternehmen von uns erwarten?

Zusammenfassung

Der Vorschlag Dominik Geißlers verschlechtert die Strukturen der Verwaltung durch die Aufteilung eines Themas in unterschiedliche Dezernate. Er erhöht so Arbeitsaufwand und Überlastung in Dezernat I noch stärker, das schon heute größer ist als die Dezernate II und III.
Grund dafür kann nicht die inhaltliche Bilanz der letzten Jahre im Mobilitätsbereich sein, in dem viel erreicht wurde. Kritik an mir als Verkehrsdezernent war und ist berechtigt, was ich an verschiedenen Stellen eingestanden habe. Doch die Maßnahmen wurden auch immer vom Stadtrat beschlossen und mitgetragen.
In seinen anderthalb Jahren als Oberbürgermeister und Dezernent für Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung hat Dominik Geißler kein einziges Mal eine meiner Vorlagen im Stadtvorstand abgelehnt oder mich angewiesen, anders vorzugehen. Wenn er mit meiner Arbeit plötzlich unzufrieden wäre, ist der Entzug der Zuständigkeit das äußerste Mittel. Mildere hat er nicht erprobt.
Dominik Geißler bricht mit dieser Aktion sein mir gegebenes Wort. Damit habe ich ein persönliches und moralisches Problem. Als Stadtgesellschaft müssen wir uns fragen, ob das die Verlässlichkeit ist, die wir uns von einem Stadtoberhaupt erhoffen und erwarten.
Der Ball liegt nun beim Stadtrat, der bewerten muss, ob dieser Vorschlag noch eine gute Arbeitsteilung und die effizienteste Struktur für die Verwaltung darstellt.

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