Verletzlichkeit setzt Prioritäten

Fußgängerinnen und Fußgänger brauchen mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung, gerade weil sie die verletzlichsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sind. Um das hinzukriegen, braucht es eine klare Haltung bei den Abwägungsentscheidungen. Denn längere Grünphasen an Ampeln, Sitzgelegenheiten im Schatten für Seniorinnen und freie Gehwege kriegen wir nur über eine Neuverteilung der Verkehrsflächen hin.

Ende des Jahres kommt mit dem Landau Takt 2022 ein verbessertes Stadtbussystem, Zug um Zug verbessern wir die Radinfrastruktur in Landau und den Stadtdörfern. Aber die Fußgängerinnen und Fußgänger haben wir noch zu wenig im Blick. Das möchte ich ändern.

Fußverkehr in Landau

Schon heute werden in Landau inklusive aller Stadtdörfer 30% aller Wege im Binnenverkehr zu Fuß zurückgelegt. Damit liegt der Fußverkehr noch vor dem Fahrrad im Wegevergleich. Insbesondere auf Kurzstrecken bis zu einem Kilometer bewegen sich Landauerinnen und Landauer so fort (Wegeanteil: 59%). Um das noch zu unterstützen, wären sanierte, breite, freie Gehwege ebenso hilfreich wie übersichtliche Kreuzungen, Sitzgelegenheiten für ältere Menschen alle 100 bis 200 Meter, Überquerungsinseln, Barrierefreiheit durch Blindenleitlinien und Bordsteinabsenkungen und längere Grünphasen an Ampeln. An all diesen Themen sollten wir stärker arbeiten.

Verletzlichkeit als Maßstab

Alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer machen Fehler oder verstoßen gegen Regeln. Autofahren mit den Augen auf dem Handy, Radfahren ohne das Abbiegen anzuzeigen, Menschen, die das Rot einer Fußgängerampel für eine Richtlinie halten, aber nicht für eine Regel. Jeder Regelverstoß kann Menschen gefährden. Aber es gibt einen großen qualitativen Unterschied: Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer gefährden zuerst einmal (auch) sich selbst. Verkehr so zu gestalten, dass niemand verletzt wird, ist der zentrale Anlass dafür, Fußgängerinnen und Fußgängern mit ihren Wünschen und Bedürfnissen Priorität einzuräumen.

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Eine der wenigen Ampeln in Landau, bei der es auch Senioren und Kinder über die Straße schaffen: Am Nordring. Hier wurde die Grünphase verdoppelt.

Beispiel der Fußgängerampel

Am eindrücklichsten wird unsere bisherige Prioritätensetzung in Landau an Fußgängerampeln. Es gibt nur eine Handvoll Fußgängerampeln, in deren Grünphase ich es schaffe, die jeweilige Straße zu überqueren – und ich bin noch nicht auf eine Gehhilfe angewiesen und habe auch kein Kleinkind an der Hand.

Zwar sind die Zeiten so eingestellt, dass es (die meisten) Menschen über die Straße schaffen, bevor der geradeausfahrende Autoverkehr grün bekommt, aber ältere Menschen und Kinder verunsichert das Rotwerden der Ampeln sehr. Hinzu kommt: In Landau ist es bisher so, dass die Fußgängerinnen und Fußgänger fast immer zumindest mit abbiegendem Autoverkehr gemeinsam grün erhalten. Auch das ist eine Gefahrenquelle.

Prioritäten setzen

Fußgängerampeln sollten so geschaltet sein, dass auch Menschen mit Gehhilfe und Rollstuhl in der Grünphase über die Straße kommen. Wenn wir das wollen, steht uns eine Abwägungsentscheidung bevor.

Aktuell werden die Ampeln im Stadtgebiet erneuert, anschließend steht die Neuprogrammierung an. Eine Ampel hat normalerweise einen zirka 90 sekündigen „Umlauf“, in dem alle Richtungen einmal für eine unterschiedlich lange Zeit grün erhalten. Die zugewiesenen Sekunden orientieren sich bisher wesentlich am Verkehrsbedürfnis des motorisierten Verkehrs. Kurz gesagt: Wer längere Grünphasen für den Fußverkehr will, muss sie von anderer Stelle umverteilen.

Beste Lösung für Alle gibt es nicht

Gerade im Mobilitätsbereich gibt es solche Abwägungen ständig. Bäume und Bänke oder Parkplätze? Freie Gehwege und übersichtliche Kreuzungen oder (widerrechtlich) parkende Autos? Längere Grünphasen für Fußgängerinnen und Fußgänger oder weiterhin purer Fokus auf das Auto? Nach zwei Generationen „autogerechte“ Stadt sind wir am Anfang eines Umbaus, der Landau sicherer, leiser und die Alternativen zum Auto bequemer machen wird. Aber die, die in einer ländlichen Region auf eines angewiesen sind und noch für Jahre bleiben werden, werden trotzdem Klage erheben.

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Was für einen Unterschied Barrierefreiheit machen kann: Kurz nach den Bauarbeiten begegnete mir auf dem Firstweg bei Arzheim ein Senior mit Gehhilfe. Er sagte, er sei sehr lange nicht mehr hier gewesen, weil es auf dem alten Weg einfach nicht mehr gegangen sei.
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Ähnlich wie früher der Firstweg sieht heute noch dieses wichtige Wegstück nach Herxheim aus. Sie in Ordnung zu bringen hilft Fuß- und Radverkehr.

Konflikte aushalten, Mut haben

Es gilt, diese Konflikte auszuhalten und Prioritäten zu setzen. Leitlinie ist mir dabei die Verletzlichkeit der Menschen. Eine Stadt ohne Verkehrstote und ohne Schwerverletzte ist möglich, wenn wir den Mut haben, es wirklich zu machen. Für Fußgängerinnen und Fußgänger sind längere Grünphasen, mehr Überquerungsinseln, ein Sanierungsprogramm für Gehwege – bei dem wir auch die Barrierefreiheit fördern -, Mindestbreiten für den Fußverkehr und verkehrsberuhigte Wohnquartiere ohne Durchgangsverkehr die Mittel der Wahl, um die verletzlichsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu schützen und zu unterstützen.

Lukas

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Das Friedhofsamt ist sogar schon etwas fortschrittlicher als Grüflächen- oder Mobilitätsabteilung: Eine Bank mit erhöhter Sitzfläche und Armlehne zum besseren Aufstehen. Solche Sitzgelegenheiten will ich – möglichst im Schatten – alle 100 bis 200 Meter in der Stadt. Damit sich ältere oder gesundheitlich angeschlagene oder schwangere Menschen auch Mal ausruhen kann.
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